Geschichtliches

Seit 2004 sind die beiden Kirchengemeinden Rengershausen und Guntershausen zu einer Kirchengemeinde zusammengeschlossen worden. Hier finden Sie Informationen zur Kirchengemeinde, zu den beiden Kirchen und zur Geschichte.

 

Kirche Rengershausen Sommer 2009

Leitgedanke unserer Kirchengemeinde

Auf einer Kirchenvorstehertagung haben wir überlegt, was wir in und mit unserer Kirchengemeinde erreichen wollen.

Herausgekommen ist ein Leitsatz, an dem die Arbeit in unserer Gemeinde gemessen werden soll:

Wir sind die Evangelische Kirchengemeinde in Rengershausen und Guntershausen, ein Ort lebendiger Begegnung mit Gott und den Menschen. Wir wollen, dass bei uns Menschen ermutigt werden und sie Hoffnung und Perspektive finden.

Wir glauben, dass der Glauben an den lebendigen Gott und an Jesus Christus Menschen für ihr Leben ermutigen kann und das wollen wir in unserer Gemeinde weitergeben.

Zur Geschichte der Kirche in Rengershausen

Im Jahr 2000 konnte die Kirche von Rengershausen 200. Geburtstag feiern. Zu diesem Anlass wurde eine Chronik herausgegeben. Die Informationen und Texte stammen vornehmlich von Heinrich Damm. Diese Chronik bildet die Grundlage für den folgenden geschichtlichen Überblick der Kirche in Rengershausen.

Die Entstehung des Dorfes Rengershausen

Über die Entstehung des Dorfes Rengershausen ist aus dem Munde älterer Leute folgende Legende niedergeschrieben:

„Droben im Felde heißt die Stelle, welche in dem Winkel liegt, der durch das Zusammentreffen der Wege nach Guntershausen und Fehrenberg gebildet wird, ‚Die alte Kirche‘. Dort stand eine Kirche, die ein Herr des Gutes erbaut hatte, welches daneben lag. Dieser Herr hieß Regingoz. (Diese Ansiedlung wird zum ersten mal erwähnt in einer Urkunde aus dem Jahre 1107.)

Diese Ansiedlung wird zum ersten mal erwähnt in einer Urkunde aus dem Jahre 1107.Der Vater desselben noch den Wotan und den Thor angebetet. Weil nun der Sohn vor dem Christengotte seine Knie beugte, so wurde er aus dem Vaterhause ausgewiesen, weshalb er sich in unsere Wälder niederließ. Hier gefiel es ihm, und nicht, weit von ihm baute sich später sein Freund Stocker an. Dem Herren von Stocker gehörte die ganze Gegend, die an den Gunterhäuser Wald stößt und die noch heute ‚Das Stockerholz‘ heißt. So sollen auch noch andere große Gutshöfe in der Rengershäuser Gemarkung gestanden sein.

Die Regingoz blieben immer gar fromme Leute und ruhten nicht eher, bis sie eine Kirche neben ihrem Hofe stehen hatten, wohin denn auch die Bewohner der anderen Höfe kamen, um ihrem Gott und Heiland zu dienen.

Das Gotteshaus hat bis zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges gestanden. Da gab es auch hier große Veränderungen. Die Regingoz und andere Herren hatten die reine Lehre Luthers aus voller Überzeugung angenommen. Als nun die Kaiserlichen hierherkamen, wollte der damalige Regingoz von allem, was in der Kirche war, nichts verbergen, sondern die Kirche dem Schutze Gottes anbefehlen. Aber der Herr von Stocker riet, alles zu flüchten und selbst die Glocke in einen tiefen Born (Brunnen) in einem Teil seines Waldes, der noch jetzt der Borneberg heißt, zu versenken. So geschah es denn.

Als die Kaiserlichen die Kirche leer fanden, und die Gutsherren mit ihren Angehörigen nicht wieder katholisch werden wollten, wurden die Menschen hart gedrangsalt, die Kirche und die Höfe aber zerstört. Wie nun gar ein Verräter den Kaiserlichen offenbarte, die Glocke sei in dem Brunnen des Bornebergs versteckt, da suchte man nach derselben, konnte sie aber nicht finden. Der Herr von Stocker sollte nun sagen, wo die Glocke geblieben sei, was er aber nicht anzugeben vermochte, weshalb man ihn in den ‚Born‘ warf.

Wo ist aber die Glocke geblieben? Die Engel sollen sie schon vorher aus dem Born gezogen und da versteckt haben, wo unsere heutige Kirche steht.

Nach Beendigung des Dreißigjährigen Krieges fand man sie daselbst. Der damalige Gutsherr Regingoz sagte deshalb zu den anderen Herren: ‚Unser Herrgott hat uns ein Zeichen gegeben, wo wir ihn anbeten sollen. Wir wollen ihm fortan da dienen, wo er uns unsere Glocke aufbewahrt hat, und da wollen wir auch wohnen‘.

Alle Gutsherren gaben ihm Beifall, sie baten sich hier unten im Tale an, vergaßen auch nicht ein Kirchlein zu bauen, wozu sie die Überreste der alten Kirche benutzten.

Das so entstandene Dörflein nannten sie den Regingoz zu Ehren ‚Rengishusen‘, aus welchem Namen später Rengershausen entstanden ist.“

Die Baugeschichte unserer Kirche

Die Kirche in Rengershausen, noch ohne Uhr!Die alte Kirche wurde bereits bei den Ausbesserungsarbeiten 1743 und 1758 als baufällig bezeichnet. Daher wurde im Jahre 1790 ein Entwurf zum Neubau einer Kirche dem Konsistorium zur Genehmigung vorgelegt. Als schlichter klassischer Saalbau wurde unsere Kirche im Jahre 1800 erbaut.

1832 wurde sie im zweiten Bauabschnitt um den Altarraum erweitert, was an den Außenwänden heute noch ersichtlich ist. Sie ist aus Sandbruchsteinen gebaut und mit Biberschwänzen gedeckt. Der Grundriß bildet ein Rechteck von 13,50 m lichter Länge und 7,10 m Breite. Das am Chorende abgewalmte Satteldach krönt am Westgiebel ein Fachwerkturm. An der Westwand des Innenraumes haben die 1839 geschenkte Orgel und an der von zwei Fenstern durchbrochenen Ostwand die aus dem Jahre 1801 stammende Holzkanzel Aufstellung gefunden.

Die auf den Nord-, West- und Südseiten angeordneten Emporen durchschneiden die hohen mit Korbbogen überdeckten Fenster. Das mit kreisförmigem Oberlicht versehene rechteckige Westportal trägt die Jahreszahl 1800. Auf dieses Vollendungsdatum des Baues bezieht sich die auf dem Balken der Glockenstube angebrachte Inschrift.

Aus der alten Kirche, die vorher an gleicher Stelle gestanden hat, sind bis heute noch die Abendmahlskelche und die Taufkanne vorhanden.

Dekan Eisenberg an der Baustelle.

 

 

 

 

 

 

Bereits im Jahre 1900 hat unsere Kirche eine größere Renovierung erfahren. In den Jahren 1950 bis 1959 wurden unter Pfarrer Sinning in der Kirche erneut größere Umbauarbeiten vorgenommen. Hierbei bekam die Kirche durch Wegfall des zweiten Treppenaufganges zur Empore sowie durch Einbau eines elektrischen Orgelgebläses eine größere Anzahl Sitzplätze. Auch die Kanzel wurde etwas niedriger angesetzt und ein Holzkreuz darüber angebracht. Bei der Erneuerung des Altars wurde der Taufstein, der als dessen Unterbau diente, entdeckt. Er wurde neben der Kanzel aufgestellt und fortan als solcher benutzt. Ferner wurde eine elektrische Heizung eingebaut und der Anstrich der Wände neu ausgeführt. Hierbei wurden die Namen der im zweiten Weltkrieg gefallenen und vermißten Mitglieder der hiesigen Gemeinde an der Brüstung der Empore aufgeführt.

Auf dem Bild ist das Ziffernblatt zu sehen, bevor es mit Hilfe der Feuerwehrleiter am Kirchturm angebracht wurde.Da im Innenraum immer wieder Risse auftraten, wurde 1978 eine Untersuchung der Grundmauern vorgenommen. Es stellte sich heraus, daß unsere Kirche auf Fließlehm steht, so daß die Grundmauern mit Beton unterfangen werden mußten. Bei diesen Bauarbeiten fand man noch Überreste des alten Friedhofs, der sich früher dort bei der Kirche befand.

Bei der anschließenden Erneuerung der Sandsteinplatten im Kircheninnenraum hat man einen aus dem Jahre 1597 stammenden Grabstein gefunden, der heute links neben der Kanzel zu sehen ist. Am 16. Oktober 1983 konnte die Kirche, so wie wir sie heute kennen, eingeweiht werden.

Mit Hilfe einer Spendenaktion in der Gemeinde konnte in 1986 noch eine Kirchturmuhr angeschafft werden.

Auf dem Bild ist das Ziffernblatt zu sehen, bevor es mit Hilfe der Feuerwehrleiter am Kirchturm angebracht wurde.

Der Taufstein

Der Taufstein trägt das Datum 12.12.1575 und den Namen des Pfarrers, der ihn stiftete: „Gisbert Figelius“.

An dem Taufstein wurde im November 1755 die Märchenfrau der Brüder Grimm, Dorothea Viehmann, geb. Pierson, getauft.

Sie ist eng mit unserem Heimatdorf verbunden. Am 8. November 1755 wurde sie auf der Knallhütte geboren, ging hier zur Schule und schloß im Jahr 1777 in der hiesigen Kirche den Ehebund mit dem Schneider Nikolaus Viehmann aus Niederzwehren.

Der Gottesdienst

Bis zum Jahre 1858 war Rengershausen nach Kirchbauna eingepfarrt und hatte also kein Recht auf eigene Gottesdienste. Dieses Recht erhielt Rengershausen erst in diesem Jahr 1858, als es selbständiges Filialdorf von Kirchbauna mit einem eigenen Kirchenvorstand wurde. Knapp 100 Jahre dauerte diese Zuordnung. In dieser Zeit hatte der Kantor, der zugleich Schulmeister war, eine ganz wichtige Funktion wahrzunehmen: Regelmäßig an den Sonntagen ohne Pfarrgottesdienst hielt er Lesegottesdienst und bei Beerdigungen war es seine Aufgabe, zusammen mit den Schulkindern am Grabe zu singen.

Einführung von Dekan Eisenberg am 4. Oktober 1970

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Jahr 1949 brachte einen historisch gewichtigen Einschnitt in das Leben der Kirchengemeinde Rengershausen. Guntershausen, das bis dahin zum Kirchspiel Grifte gehört hatte, wurde mit Rengershausen zu einem neuen Kirchspiel vereinigt. Für beide Gemeinden wurde in Rengershausen eine Pfarrstelle errichtet, 1962 kam eine zweite Pfarrstelle hinzu. Seither finden regelmäßig an Sonn- und Feiertagen in beiden Gemeinden Gottesdienste statt, im Wechsel um 9.30 Uhr und 10.45 Uhr.

Auf dem Bild sieht man den Zug zur Kirche bei der Einführung von Dekan Eisenberg am 4. Oktober 1970.

Die Orgel

Bei der großen Kirchenrenovierung 1949/50 wurde am Mittwoch, dem 18. Oktober 1950, bei dem Einbau eines Gebläses und dem dadurch bedingten Umbau der Orgel im Blasebalg folgendes eingeklebte Schreiben gefunden, in welchem der damalige Lehrer einige, wie uns scheint, recht offene und harte Anmerkungen niedergelegt hat:

„Nachrichten über diese Orgel, Kirche und Gemeinde usw. Niedergeschrieben von dem zeitigen Schullehrer Wilhelm Ide, den 29. Julius 1839:

§ 1

Die Orgel wurde der Gemeinde Rengershausen von dem Herrn Gastwirth Martin Keim auf der Knallhütte geschenkt.

§ 2

Gebaut wurde sie vom Herrn Kreisorgelbauer Zieße aus Hessenphilippsthal für die Summe von 300 Reichsthalern.

§ 3

Der gegenwärtige Prediger ist der Herr Pfarrer Carl Wilhelm Seybert zu Kirchbauna und der Schullehrer Wilhelm Ide.

§ 4

Die hiesige Gemeinde besteht dermalen aus 38 Brandstätten und herrscht im Ganzen genommen ein ziemlicher Grad von Wohlhabenheit.

§ 5

Die Ortsvorsteher sind: der Bürgermeister Conrad Krug, die Gemeinderäthe Eckhardt Siebert und Karl Heinemann.

§ 6

In der Kirche wurde der Orgel halben eine große Reparatur durch den Schreiner Tille Keim, einen Bruder des Gastwirths Martin Keim, vorgenommen.

§ 7

Die Gemeinde hat zu dieser Zeit nur den Nachmittagsgottesdienst in dieser Kirche. Zum Frühgottesdienst mußte dieselbe aber der Zeit nach Kirchbauna gehen.

§ 8

Fleiß und Sparsamkeit sind die Haupttugenden der Ortseinwohner. Doch herrscht daneben übertriebener Hoffarth in der Kleidung.

§ 9

Die hiesige Schule zählt gegenwärtig 52 Kinder, die sich zum größtenteils durch Fleiß, nicht aber durch gute Sitten auszeichnen.

§ 10

Die Schule wurde im vorigen Jahre 1838 sehr erweitert durch einen neuen Anbau und im Inneren überhaupt zweckmäßig eingerichtet.

§ 11

Die Veranlassung, die den Herrn Keim bewog, der Gemeinde und Kirche diese Orgel zu schenken, war die: Er besaß eine große Gastwirtschaft und Bierbrauerei, die gegenwärtig das beste Bier im ganzen Kurfürstentum liefert, aber immer mangelte es ihm am nötigen Wasser, weil er keine reichhaltigen Brunnen finden konnte. Durch einen seltsamen Zufall entdeckte er bei seinem Hause eine Quelle, und in der Freude darüber gelobte er in Gegenwart des genannten Schullehrers, wenn diese Quelle Stand halte, so wolle er eine Orgel in die hiesige Kirche schenken, welches denn auch in diesem Jahre geschah.

Seine brave Gattin, die hierin mit ihm einverstanden war, hieß Martha Elisabeth, geb. Freitag. Beide Eheleute besaßen vielen religiösen Sinn und hatten deshalb auch viel Segen in ihrem Hause.

Die Orgel wurde erbaut und aufgestellt im Jahre 1839 von dem Kreisorgelbauer Friedrich Zieße aus Hessenphilippsthal, und dessen Gehilfen waren I.E. Stegmann, Heinrich Gipfert, Friedrich Gebühr und Andreas Erbsmehl.“

Die Glocken

In unserer Kirche befinden sich zwei Glocken. Die Inschrift der größeren, westlichen, auf den Ton a gestimmten Glocke lautet: „NEUGEGOSSEN FUER DIE GEMEINDE RENGERSHAUSEN VON HENSCHEL UND SOHN IN CASSEL 1858“

Die im Jahr 1858 von der Firma Henschel gegossene Glocke.Im Kriegsjahr 1917 mußten wir eine unserer Glocken abgeben und zwar die kleinere, östliche, Glocke mit dem Ton d und der Inschrift: „DER GEMEINDE RENGERSHAUSEN GEHÖRE ICH PHILIPP RAABE ZU HOMBERG GOSS MICH 1824“.

Im Jahr 1925 wurde dann durch eine Sammlung die Anschaffung einer zweiten Glocke wieder möglich. Diese Glocke wurde in der Glockengießerei Rinker in Sinn/Dillkreis gegossen. Sie trug die Inschrift: „NACH KRIEG UND LEID UND HARTER ZEIT RUF ICH ERNEUT ZUR SELIGKEIT“ mit der Jahreszahl 1925. Im zweiten Weltkrieg mußten wir sie leider wieder abgeben, weil die größere zweite Glocke – also die ältere – für uns mehr historischen Wert hatte.

Durch Initiative von Pfarrer Sinning bekamen wir dann eine Leihglocke. Wir hatten nur die Transportkosten von Hamburg nach hier und die Montagekosten zu tragen. Diese Leihglocken gehörten den ehemals deutschen Gemeinden in den verlorenen deutschen Ostgebieten, deren Bewohner vertrieben wurden und die deshalb nicht mehr zurückgegeben werden konnten.

Diese Leihglocke, die keine Inschrift enthält, befindet sich zusammen mit der im Jahre 1858 von der Firma Henschel gegossenen Glocke noch heute in unserer Kirche.

Bis zum Jahre 1970 wurden unsere Glocken von Hand geläutet. Im Zuge der Renovierungsarbeiten der Kirche wurde dann ein elektrisches Läutewerk eingebaut.

Der Kirchplatz

Gegenüber der Eingangstür zur Kirche, auf dem heutigen verschönerten Kirchplatz, standen ursprünglich drei Häuser, die auf dem Bild zu sehen sind.

Zwei Wohnhäuser undDas Spritzenhaus gegenüber der Kirche. das „Spritzenhaus“ (siehe Bild), welches gleichzeitig das Gemeindehaus der politischen Gemeinde war.

Später, als das Dorfgemeinschaftshaus gebaut wurde und sich die Besitzer der Wohnhäuser anderweitig Eigentum beschafften, konnten die Häuser von der Kirchengemeinde gekauft und zur Vergrößerung des Kirchplatzes abgebrochen werden.

Die bei dem Dörnbergschen Aufstand im Jahre 1809 bei der Knallhütte gefallenen Bürger wurden seinerzeit auf dem Friedhof bei der Kirche beerdigt. Für sie wurde auf dem Kirchplatz ein Denkmal errichtet.

Nach Beendigung des deutsch-französischen Krieges 1870/71 wurde auf dem Kirchplatz die Friedenseiche gepflanzt und die Namen derer, die an dem Krieg teilgenommen hatten, wurden auf einer Tafel verewigt, die sich noch heute rechts neben dem Eingang in der Kirche befindet.

Auf dem Kirchplatz befinden sich zwei weitere Denkmäler für die in den beiden Weltkriegen gefallenen und vermißten Mitglieder unserer Gemeinde.

Die Kirchhofsmauer, die mehrmals erneuert wurde, erhielt in den 50er Jahren am nördlichen Treppenaufgang einen in Sandstein gemeißelten Pelikan, der schützend seine Flügel über seine Jungen ausbreitet.

Das damalige Spritzenhaus.Im Rahmen der Erneuerung der Unteren Kirchstraße durch die Stadt Baunatal wurde von einem Künstler, inspiriert durch Legende von der Glocke, ein bronzener Glockenabdruck dort angebracht.

Seit den 50er Jahren hat sich rund um unsere Kirche das Dorfbild verändert. Das Dorf entwickelte sich immer mehr zur modernen Industriegemeinde. Durch den Bau der Autobahnen und des VW-Werkes haben viele Landwirte infolge der großen Landverluste ihre Landwirtschaft aufgegeben oder sind ausgesiedelt. Von damals 23 landwirtschaftlichen Betrieben sind heute noch drei vorhanden.

Die älteren Häuser wurden abgerissen oder den heutigen Verhältnissen entsprechend umgebaut. Ein Beispiel ist der Bauernhof „Rudolph“ der in eine moderne Wohnanlage umgebaut wurde.

Ein geplanter Bau eines Gemeindesaales auf dem Kirchplatz, wo seinerzeit die erwähnten drei Häuser standen, scheiterte an den Behörden.

Ein Gemeindesaal wurde im Jahr 1999 an das Evangelische Gemeindehaus, Zum Felsengarten 13, mit entsprechenden Jugendräumen angebaut.

 

Die Kirche in Guntershausen: „Unsere Kirche im Dorf haben“

Von der Dorfkapelle zur Stadtteilgemeinde – eine lange Geschichte aus Guntershausen

2012 feierten wir das 100. Baujubiläum unserer Kirche. Das Thema der Jubiläumsausstellung lautete: „Die Kirche im Dorf haben“. Genügt das heute noch? Jahrhunderte lang, besonders in Kriegs- und Notzeiten, war das höchst bedeutsam. In Stadt und Land prägten Kirche und christlicher Glaube das öffentliche wie persönliche Leben von der Wiege zur Bahre, sonntags wie werktags. Seit der Reformation geschah dies viele Generationen lang evangelisch-reformiert, andere Glaubensrichtungen kamen noch nicht vor. Das änderte sich mit den Flüchtlingen, die nach dem Krieg hierher kamen.

In nur 50 Jahren aber hat sich auch unser Ort vom Bauerndorf mit 1 Dutzend Höfen zum modernen Stadtteil der VW-Stadt Baunatal rasant verändert – nach 2 Jahren „Buchenhagen“ mit Rengershausen (1970-72). Heute sind noch 2 große landwirtschaftliche Betriebe da. Und die Kirche? Im Winter versammeln sich die wenigen Kirchgänger nicht nur aus Kostengründen im Gemeindesaal. Auch kirchliches Gemeindeleben unterliegt längst dem allgemeinen Wettbewerb von vielfältigen Angeboten und ist zur Randerscheinung geworden. Und dafür würde sie heute wohl meistens ausreichen, jene kleine alte Kapelle, die so lange am Guntershäuser Friedhof stand.

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Blick zurück auf Kirche und Dorf im Wandel der Zeiten

Die Kirche im Dorf, das ist erst seit 1949 umfassend der Fall. Wie das? Gab es nicht schon seit Jahrhunderten diese Kapelle (1495 – 1910) am Friedhof? Ja, aber nur für Taufen, die wegen der Säuglingssterblichkeit am Tag nach der Geburt statt finden mussten, für Leichenfeiern und Andachten. Die übrigen Amtshandlungen fanden in der Grifter Kirche statt. Unsere Kirchengemeinde gehörte mit Haldorf, Holzhausen und Dissen zum Kirchspiel Grifte. Dort wurden zentral Gottesdienste, Konfirmationen und Hochzeiten gefeiert, bis 1949 den Kreisgrenzen entsprechend neu die Kirchengemeinde Rengershausen-Guntershausen entstand. 2004 wurden beide Ortsgemeinden dann formal eine Gemeinde mit gemeinsamem Kirchenvorstand.

Unser kleines Dorf wurde schon im 11. Jahrhundert urkundlich als Siedlung „Huntirishusun“ erwähnt, die (Bann-) Mühle 1267. Die Chronik berichtet, dass es „keine Passage“ zu den Handelsstraßen (B 3, B 83) und folglich auch keine „Schanklizenz“ im Ort gab. Es gab nur unbefestigte Feldwege zu den Nachbarorten, Bier braute man selbst. 1539 gab es Ackerhaushalte mit 14 Familien, nach dem 30jährigen Krieg 13 (1682) und 15 Familien in 1748.

An der Baunamündung zur Fulda gelegen, waren Hochwasser und Brände Jahrhunderte lang große Bedrohungen. So wurde 1802 verfügt, mit Kirchbauna eine Feuerspritze anzuschaffen. Sie musste dort zu Pferd geholt werden, während die Männer volle Wassereimer vorn zum Brand durch reichten, die Frauen hinten die leeren zurück. 1842 kam eine eigene Spritze ins Dorf. Ab 1809 mußten Schornsteinfeger zweimal jährlich alle Gebäude kontrollieren. Wasser wurde noch aus Brunnen geholt. Ab 1828 wurde die Hauptstraße gepflastert.

Die Schulkinder wurden erst in Freudenstein’s Hof (Dorfstraße 9) unterrichtet, bis 1842 das erste Schulhaus gegenüber der Schmiede gebaut wurde. Es gab nun 199 Einwohner. Zur Entwicklung von Schule und Gemeinde wäre noch manches zu sagen.

In den 1840er Jahren wurde die Eisenbahnlinien mit ihren zwei Brücken gebaut. Für den Gleisbau mussten zwei Höfe im Dorf versetzt und hohe Brückendämme aufgeschichtet werden. Die 13-Bogen-Fuldabrücke, von belgischen Ingenieuren konstruiert, hatte damals Deutschland weit die größte Spannbreite (283 m). Sie wurde im März 1945 von deutschen Soldaten gesprengt. 1950 wurde nach einer amerikanischen Hilfsbrücke der Neubau mit einem Betonbogen in der Mitte errichtet.

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Doch mit der Bahn waren endlich Verkehrsanbindung und mehr Arbeit gekommen – das Dorf entwickelte sich. Der große neue Bahnhof mit Fürstenzimmer und Gastwirtschaft lud damals Umsteigende zum Verweilen ein. In den 1970er Jahren seines Turmes beraubt, ist er inzwischen völlig marode. Die Stellwerke wurden 2013 abgerissen.

1851 wurde oberhalb des Bahnhofs das „Hotel Bellevue“, jetzt Marie-Behre-Altenhilfezentrum, gebaut, in dem einst berühmte Herrschaften nächtigten und rauschende Feste feierten. Der russische Zar, Reichskanzler Bismarck und andere Größen ihrer Zeit stiegen hier ab. Das große Gebäude am Ortsrand hatte sehr unterschiedliche Besitzer und Nutzer erlebt und für’s Dorf etliche Arbeitsplätze geboten.

Ab 1866 wurden hier auch die „Diözesansynoden“ des Kirchsprengels Fritzlar mit über 150 Pfarrern, Delegierten und kirchlichen Würdenträgern abgehalten. Mancher Beschluss betraf auch unsere Filial-Kirchengemeinde. Seit über 100 Jahren hat der Bau verschiedenen kirchlichen Zwecken gedient, so als Diakonissen- und Mädchenheim, als Evangelische Akademie und nun, nach umfangreicher Erweiterung, als moderne Altenhilfeeinrichtung des Diakonischen Werkes.

Für unsere Kirchengemeinde wurde seit 1902 ein Neubau angestrebt. Die alte Kapelle am Friedhof – kalt, düster und längst zu klein, wurde dann abgerissen. Die Pforte mit dem schönen mittelalterlichen Spitzbogen, dem Steinkopf (jetzt Seiteneingang) und die alte Orgel (1717) gibt es noch, auch die kleine Glocke wurde dann übernommen.

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Der Neubau brachte zwar auch den ansässigen Handwerkern Aufträge, aber die Neubaukosten waren ein großes Problem. Viele Extraspenden wurden benötigt. Die kleine politische Gemeinde, damals mit Kosten für Wasser- und Stromleitungen sehr belastet, sah sich zunächst zu einem Kostenanteil außer Stande. Erst nach einer Kaiserspende wurde 1911 der Grundstein gelegt und am 21. Juli 1912 – zwei Jahre vor dem 1. Weltkrieg – unsere neue Kirche eingeweiht. Die Kaiserin spendete wie üblich die Altarbibel, die bei unserer Jubiläumsausstellung 2012 zu sehen war.

Guntershausen aber wurde noch 1913 als „Filialgemeinde von Grifte“ bestätigt. So hielt der Grifter Pfarrer nun alle drei Wochen hier Gottesdienst. Die Konfirmanden gingen weiter Jahr um Jahr zum Unterricht nach Grifte, bis zur letzten Konfirmation dort 1949.

1949 entstand die neue Kirchengemeinde Rengershausen-Guntershausen und Wilhelm Sinning wurde der erste gemeinsame Pfarrer, später Dekan. Die Kirchengemeinde konnte sich nun nach dem 2. Weltkrieg neu entfalten. Im gleichen Jahr fand im Lohwald auch das traditionsreiche und weithin bekannte Missionsfest erstmals wieder statt. Über 150 Jahre hatten alljährlich am ersten Juli-Donnerstag Vertreter der Missionsgesellschaften hier aus aller Welt berichtet und Spenden für ihre Arbeit gesammelt – aus heutiger Sicht ein fragwürdiges Ereignis. Damals, bei begrenzten Informationsmitteln aber war es eines, das immer wieder hunderte Menschen aus der ganzen Region anzog.

Mehr oder weniger bewusst im Ohr sind uns die Kirchenglocken. Sie transportieren sowas wie den Klang der Heimat. Die alte Kapelle erhielt 1712 ein „Glöcklein“ – es wurde im 1. Weltkrieg für Rüstungszwecke eingeschmolzen. In der neuen Kirche gab es erst 1926 wieder eine Glocke (550 kg, 100 cm). Wie passend ihr Spruch: „Die letzte starb für Deutschlands Wehr, die neue klingt zu Gottes Ehr.“ 1950 kam aus Kassel-Harleshausen die „Taufglocke“ (350 kg, 87 cm), ihr Spruch: „Wer da glaubt und getauft ist, wird selig werden.“ Seit dem 50jährigen Baujubiläum läutet mit im Dreiklang die kleinste „Jubiläumsglocke“ mit dem heute vielleicht altmodischen, doch bedenkenswerten Glockenspruch „Oh Land, Land höre des Herrn Wort.“ Von der berühmten Westerwälder Glocken-gießerei Rincker gegossen, wurde sie mit ihren 300 kg und 81 cm Durchmesser im Juni 1962 in den Kirchturm hoch gezogen.

Seit 1953 gab es ein elektrisches Läutewerk, zu Beerdigungen aber wurde von Hand geläutet. Der landeskirchliche Glockenrevisor kontrollierte Statik, Klang und Mechanik. 1964 waren Mängel im Glockenstuhl zu beseitigen.

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Das Kirchengebäude, allmählich in die Jahre gekommen, bedurfte mehrerer teurer Modernisierungen bei Heizung, Beleuchtung, Fenstern und Altar sowie der Renovierungen von Orgel, Dach, Innenraum, Gestühl usw. Die hohen Kosten konnten oft, wie 1958 beim Anbau des Gemeindesaales mit Jugendraum, durch tatkräftige Mithilfe aus der Gemeinde gesenkt werden. Seit 1962 erzählen die farbigen Rundfenster (von H. Uhrig) die Oster- und Pfingstgeschichte. Seit 1992 begrüßen griffige Holzreliefs am gläsernen Eingang mit der Symbolik der alttestamentlichen Mythen. Die Sandsteinreliefs an Altar und Taufstein, alle von Hermann Pohl, erzählen von der Frohen Botschaft im Neuen Testament.

1958 an der Nordwand mit eingeweiht wurde auch ein neues Denkmal für die Kriegsopfer beider Weltkriege. 1914 – 18 starben sechs Soldaten. 1939 – 45 gab es 59 Opfer, darunter ein ganzer Jahrgang junger Männer. Zwei Familien wurden im Dorf von Fliegerbomben vernichtet.

Nachbemerkungen

Seit der Reformation hat es 454 Jahre gedauert, bis unser Dorf 1949 zum Kirchengebäude von 1912 auch eine eigene Pfarrstelle mit Rengershausen für alle Amtshandlungen und Kirchenfeste erhalten hat – welch ein Schatz an Möglichkeiten seinerzeit für das inzwischen ausgedünnte Gemeindeleben!

Zu einem solchen Schatz in dem großen Kirchenraum zählen in den letzten Jahren die Punkt 5-Gottesdienste für groß und klein. Wir feiern diese Themengottesdienste viermal im Jahr mit der Punkt-5-Band und neuen Liedern, mit Power Point und Brot und Weintrauben und sogar mit Besuchern aus anderen Ortsteilen…

Zum Schluss nochmal kurz zurück auf Anfang: „die Kirche im Dorf HABEN“. Genügt das in diesen Zeiten vielfältiger Beanspruchung und allseitiger Beeinflussung für die seelisch-geistige, die spirituelle Ausrichtung in unserem DaSEIN? Reicht das, um unsere Lebenswege gemeinsam mit Lust und Liebe verantwortlich zu gestalten? Was brauchen wir Menschen heute aus dem uralten Glaubensvorrat voll christlicher Inhalte für unseren hoch mobilen, elektronisch geprägten Alltag? Und was für die Sonn- und Feiertage? Fragen über Fragen – wie werden wir antworten?

Quellen für Guntershausen: Kirchenchronik Pfarrer Sinning, Grifter Pfarrchroniken, Dorfchroniken der Lehrer O. Schröder, W. Schmidt und A. Hofmann; Landeskirchliches Archiv und Kirchliches Rentamt Kassel, zusammengestellt von Gudrun Schmidt.